top of page

Reifentest: Sommerreifen in 245/40 R 18


Wir machen hier mal das, was Journalisten eigentlich nicht tun sollten:


Wir ergreifen Partei – für die Institution Reifentest. Wir geben sogar zu,

dass wir voreingenommen sind, denn es macht uns Spaß, Reifen an ihre absoluten Grenzen zu führen. Wir wollen sehen, was aktuell so geht und machen es den Vollprofis aus der Industrie nach.

Das sind die, die wagemutig auf abgesperrten Strecken halsbrecherisch um enge Kehren und schnelle Kurven heizen, die mit voll durchgetretenem Pedal auf freier Strecke bremsen, bis das gequälte Auto tief nickend zum Stillstand kommt.

Das tun sie mal auf künstlich beregneter, mal auf staubtrockener Piste, mal auf Asphalt, dann wieder auf Beton und zuletzt auf Kopfsteinpflaster. Subjektivtester heißen sie intern, dem breiten Publikum sind sie als Handlingfahrer oder schlicht Reifen-

tester bekannt. Soweit das Klischee, das in Teilen durchaus der Wahrheit entspricht. Und sich am Ende aber doch anders darstellt, als es die meisten zu wissen glauben.

Was macht so ein Reifentester eigentlich im Alltag, dessen Job wir von der Presse nur selten so extrem und unter Idealbedingungen ausüben dürfen?


Passendes Schuhwerk bitte


Um es vorweg zu nehmen: „Passen“ tut jeder der Kandidaten. Mit keinem

der acht Probanden – Bridgestone, Continental, Falken, Goodyear, Nokian, Pirelli, Toyo und Vredestein – stellt sich ein ungutes oder gar unsicheres Gefühl ein. Alles lenkt und schlägt sich gleichfalls in einer Punktabwertung nieder. Beim Einlenken ein schwammiges Gefühl um die Mittellage? Kein Beinbruch, aber andere können es eben besser Zählerabzug beim Handling. So zieht sich das durch alle Testkriterien. Die alte Faustregel, dass Ausgewogen-

heit das Sieg-Geheimnis eines Reifentest-Gewinners ist, hat an Bedeutung nichts verloren.


Im Gegenteil, mit der rasanten Entwicklung der Automobile müssen die Top-Reifen dieser Welt permanent Schritt halten, ja sogar noch einen Sprung voraus sein.

Nehmen wir zum Beispiel unser diesjähriges Test-Fahrzeug, einen frontgetriebenen Audi A4 Avant. Ein verlässliches, ausgereiftes, praktisches, sehr stimmiges Automobil.


Eine sehr beliebte Reifengröße auf diesem modernen Allrounder ist die von uns gewählte Dimension 245/40 R 18. Sie verheißt sportliche Tugenden ohne aufgesetzte Bissigkeit, kurze Bremswege, präzise Lenkansprache sowie gelungenen Abrollkomfort bei zurückhaltender Geräuschkulisse.


245/40 R 18 für Sport und Komfort


Und ja, dieser Pneu steht auch optisch ausgesprochen gut da, genau die goldene Mitte zwischen falscher Bescheidenheit und deplatzierter Renn-Optik. Wir wollen Ihnen gleich

etwas vorweg verraten: Wir haben ganz bewusst nicht die sportlichsten Vertreter dieser Reifengröße für unseren Test ausgesucht, sondern jene, die auch Komfort und Geräuscharmut groß schreiben.


So wurde etwa aus dem Conti SportContact der Conti Premium-Contact, dem Bridgestone Potenza haben wir den Turanza vorgezogen.


Denn Hand aufs Herz: Was zählt bei der täglichen Fahrt ins Büro oder auf der Urlaubsreise mehr?


Ein zackiger Kurvenräuber, der über-spitzt formuliert rumpelt und jault oder ein nur leicht rauschender, auf Unebenheiten meisterlich wegdämpfender Pneu, der dennoch Fahrspaß bietet? Wir meinen:


Auch hier ist Ausgewogenheit das Gebot der Stunde. Überzeugte und deshalb auch kompromissbereitere Sportfahrer wählen ohnehin ganz andere Kaliber.

In der Praxis spüren Normalfahrer von den Unterschieden, wie wir sie unter diesen hochdynamischen und idealen Bedingungen sowie mit langjähriger Routine herausfahren, meist nur wenig. Nicht nur, weil ihnen schlicht die Vergleichs- und Testmöglichkeiten fehlen, sondern weil Straßenverkehrsordnung, Verkehrsdichte und die zunehmende Begleitung durch Fahrer-Assistenzsysteme die Sinne für Reifeneigenschaften und deren Unterschiede zudem trüben. Das Korsett ist schlicht zu eng.


Assistenzsysteme bügeln Reifenschwächen aus


Nehmen wir uns den Goodyear Eagle F1 Asymmetric 5 als ersten vor, die Referenz dieses Tests. Dabei heißt Referenz nicht „besser geht es sowieso nicht“, sondern das ist der Pneu, an dem sich die anderen messen. So ein Referenzreifen wird nach einem bestimmten Wiederholungsschema zwischendurch immer wieder herangezogen, auch damit sich der Testfahrer nach mehreren Durchgängen wieder „einnorden“ und die weiteren Kandidaten exakt zu- und einordnen kann. Dieses Schema wendet die gesamte Auto- und Reifenindustrie und -presse an, weltweit.


Besagter Goodyear hat schon letztes Jahr seine außergewöhnliche Leistungsfähigkeit bewiesen und unseren Test 2020 in einer anderen Reifendimension gewonnen.

Würde ihm dieser Coup nochmals gelingen? Knappe Antwort: ja. Die überragende Gummimischung des Eagle ist speziell auf feuchten und nassen Fahrbahnbelägen derzeit nicht zu toppen. Beim Nassbremsen und beim Nasshandling fährt sich der Pneu nahezu wie bei Trockenheit, ein Technologievorsprung, der spür- und erfahrbar ist. Dabei ist er präzise beim Lenken, verfügt über hohe Reserven im Grenzbereich und gleichmäßigen Seitenkraftanstieg in Kurven. Dies nicht nur nass, sondern auch trocken. Der ideale Reifen also?


Nein, aber nur, weil es den nicht gibt. Ein Reifen ist bekanntlich ein Kompromissprodukt, also immer die Summe seiner mehr oder weniger gelungenen Eigenschaften. Manche davon sind sogar gegensätzlich und müssen doch vereint werden. Die Kunst besteht darin, das Niveau insgesamt möglichst hoch anzusiedeln. Das gelingt den besten Reifenherstellern mit jeder Generation immer noch ein wenig besser. Gar kein Problem scheint inzwischen übrigens der Schnelllauf zu sein, den alle Testkandidaten mit Bravour bestanden haben.


Zwei Verfolger dichtauf


Kaum schlechter als der Goodyear machen es Continental mit dem PremiumContact 6 und Pirelli mit dem komplett renovierten Pirelli P7 Cinturato. Beide sind so dicht am Goodyear dran, dass sich der Käufer unter diesem Top-Trio exakt den Pneu aussuchen kann, der am besten zu seinen Vorlieben passt. Ein Blick vorweg in die Schlusswertung verrät: Alle drei schneiden mit sehr gut ab, mit leichtem Bonus für den Goodyear. Und alle drei erhalten die begehrte GUTE FAHRT-Empfehlung!


Der Conti zieht dabei ein besonderes Ass aus dem Ärmel: Er ist nicht nur fahraktiv und fahrsicher, er rollt auch noch betont komfortabel und im direkten Vergleich recht leise ab – nicht immer selbstverständlich bei so „breiten Puschen“, zumal sich früher Komfort und Handling gegenseitig ausschlossen. „Entweder oder“ hieß die Kröte, die Autofahrer schlucken mussten. Neben den enormen Fortschritten bei Haftung und Rollwiderstand ist das sicher eine der größten Errungenschaften der Reifenentwicklung der letzten Jahre.


Der Pirelli gibt sich ungemein fahraktiv und sicher, ist dabei straff-komfortabel. Das hohe Wellness-Niveau des Conti erreicht er nicht ganz, doch machen ihn Polter- und Vibra-

tionsfreiheit zum angenehmen Begleiter. Und die übrigen fünf, die mit etwas Abstand das Mittelfeld präsentieren?


Die Schwäche dieses Quintetts ist einzig ihre nicht durchgängig anzutreffende Ausgewogenheit – und das ist nun mal das stärkste und bedeutendste Erkennungszeichen eines Top-Reifens. So brilliert der Nokian Powerproof etwa beim Nass- und

Trockenhandling – ein richtiger Spaßreifen. Doch die wertvollen Punkte beim Nass- und Trockenbremsen lässt er eher liegen. Quer-Aquaplaning liegt ihm auch nicht so. Der Vredestein, der sich insgesamt als guter Allroun-der entpuppt, verliert auch beim ABS-Vollbremsen Punkte. Das schlägt sich übrigens bei allen Kandidaten auch in unseren Angaben zur Restgeschwindigkeit nieder, die ein Maß für die fiktive Unfallschwere sind, soll-

te es mal nicht mehr ganz reichen.


Der aus zahlreichen Tests erfolgsverwöhnte und in der Erstausrüstung sehr präsente Hersteller Bridgestone legte im diesjährigen Reifentest im Schnitt gute, aber nicht überragende Werte vor: Der fahraktive Turanza T005 ist zwar in puncto Rollwiderstand deutlich besser als alle anderen, doch beim Nassbremsen ist er Schlusslicht. Komfort und Geräusch sind ihm ebenfalls nicht so wichtig.


Der Ziex von Falken gibt sich insgesamt etwas spröde. Ordentlich im Handling und beim Bremsen, rollt er jedoch weder sonderlich komfortabel ab noch liegt ihm Längs-Aquaplaning. Toyo scheint momentan den Anschluss an die Besten etwas zu verlieren und landet mit dem Proxes Sport A auf dem letzten Platz. Mal sehen, ob die Japaner im nächsten

Jahr wieder weiter oben dabei sind.


Abschließend sei bemerkt: Schlecht ist im Alltag keiner der getesteten Reifen, was auch die Schlussnoten beweisen. Als Schüler wären alle Kandidaten versetzt worden – und ein paar haben Belobigungen erhalten!


Ausgewogenheit ist der Schlüssel zum Erfolg. Diese beherrschen Goodyear, Pirelli und Continental in diesem Test meisterlich, leisten sich in keinem Kriterium eine echte Schwäche. Vredestein empfiehlt sich als guter Allrounder, Bridgestone und Nokian können als Spezialisten punkten. Falken und Toyo sind isoliert betrachtet durchaus angenehme Reifen, können mit dem Top-Trio aber nicht ganz mithalten.



Auszug aus Testbericht Artikel GUTE FAHRT 2021/03















Comments


bottom of page